Verlegte Stolpersteine 2024
Die Verlegung mit Gunter Demnig fand am 9. November 2024 statt
Neustraße 43 Standort ehemaliges Israelitisches Waisenhaus
Horst Lieblein
Horst Lieblein wurde am 14. März 1929 in Essen geboren. Seine Eltern waren Juda/Julius Lieblein und Frieda/Freida Lieblein geborene Katz. Die Familie wurde erstmalig im Jahr 1930 im Adressbuch der Stadt Essen erwähnt. Julius Lieblein beantragte im Jahr 1935 eine Konzession für einen Wäschehandel. Vermutlich ging es der Familie Lieblein wirtschaftlich schlecht. Horst wurde für einige Monate in das Israelitische Waisenhaus Dinslaken aufgenommen. Im Juli 1938 zog er wieder zu seinen Eltern nach Essen. Die kleine Familie lebte nun in der Schlenhofstr. 33. Von dort wurden die Liebleins, die die polnische Staatsangehörigkeit besaßen, am 28./29. Oktober mit der sogenannten "Polenktion" nach Bentschen/Zbaszyn deportiert und lebten im dortigen Internierungslager. Über das weitere Schicksal der Familie konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. Es gab nach ihrer Deportation kein Lebenszeichen mehr.
Schriftliche Auskunft:
ITS Bad Arolsen vom 12. Juni 2024.
Essener Haus der Geschichte, Frau Jutta Vonrüden-Ferner vom 19. Januar 2018.
Internetquellen:
Gedenkbuch des Bundesarchivs, Zugriff am 3. Januar 2025.
Neustr. 70
Anna Bernhard
Siegfried Bernhard
Heinz Bernhard
Inge Bernhard
Anna Bernhard, geborene Cohen aus Düsseldorf, führte gemeinsam mit ihrem Ehemann Siegfried Bernhard in der Dinslakener Innenstadt das "Kaufhaus Bernhard", das der Vater von Bernhard, Julius, gegründet hatte. Siegfried Bernhard war wie sein Vater Mitglied in der Dinslakener Ratsversammlung. Ihre Kinder Heinz und Inge wurden 1921 bzw. 1928 in Dinslaken geboren. Am 10. November 1938 wurde Siegfried verhaftet und über das Amtsgerichtsgefängnis Dinslaken mit anderen jüdischen Männern am 16. November in das Konzentrationslager Dachau verbracht. Er erhielt die Häftlingsnummer 30.016. Am 29. November erfolgte seine Entlassung, denn wegen "Arisierungsverhandlungen" über das eigene Kaufhaus, aber auch über andere, in jüdischer Hand befindliche Betriebe, Wohn- und Geschäftshäuser war seine Anwesenheit in Dinslaken erforderlich. Er hatte zu diesem Zeitpunkt den Vorsitz der Synagogengemeinde Dinslaken inne.
Inge und Heinz Bernhard wurden als Kindertransportkinder Nr. 306 und 307 vom belgischen "Comité d'Assistance aux Enfants Juif Réfugiés" registriet und erreichten am 31. Januar 1939 Brüssel. Obwohl Heinz die Altersgrenze für den Kindertransport übrschritten hatte, konnte eine Ausnahmeregelung für ihn bewirkt werden. Die Geschwister wurden getrennt und kamen in verschiedenen Familien bzw. Heimen unter. Heinz lebte einige Zeit im Brüsseler Stadtteil Ixelles. Er lebte dort mit anderen jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich in der Rue Vautier 6. Als "unerwünschter Ausländer" wurde Heinz nach dem Einmarsch der Deutschen am 10. Mai 1940 im Lager St. Cyprien interniert, das im unbesetzten Frankreich liegt. Im Oktober 1940 wurde er in das Lager Gurs überstellt. Aus Gurs gelingt ihm im September 1942 die Flucht in die Schweiz. Inge Bernhard gelangte mit anderen Heimkindern zunächst nach Seyre in Südfrankreich, später lebte sie im Chateau de la Hille. Im Dezember 1943 wagte die inzwischen 15jährige Inge gemeinsam mit ihrer Freundin Toni Rosenblatt unter der Leitung der Kindergärtnerin Gret Tobler die Flucht in die Schweiz. Die Flucht gelang und Inge sah ihren Bruder nach vier Jahren der Trennung wieder. Nach dem Krieg emigrierten sie nach Palästina.
Anna und Heinz Bernhard zogen im Mai 1939 von Dinslaken nach Essen, später nach Köln. Von dort wurden sie im Juni 1943 in das "Altersghetto" Theresienstadt deportiert und 1944 nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
Literatur:
Gerettet- auf Zeit. Kindertransporte nach Belgien 1938/1939. Katalog zu gleichnamigen Ausstellung des Lern- und Gedenkorts Jawne. Köln 2019.
Prior, Anne: "Wo die Juden geblieben sind, ist nicht bekannt." Essen 2010.
Prior, Anne: "Geben Sie diese Kinder nicht auf!" Kindertransport nach Belgien und die Schicksale der Bewohner des Israelitischen Waisenhauses Dinslaken 1938-1945. Essen 2015.
Quellen:
Gedenkbuch des Bundesarchivs, Zugriff am 6. Januar 2025.
Schriftliche Mitteilung ITS Bad Arolsen.
W.-Lantermann-Str. 56
Benjamin Isaacson
Emma Isaacson
Hedwig Isaacson
Anita Isaacson
Benjamin Isaacson war der Sohn des Viehhändlers Isaak Isaakson und dessen Ehefrau Amalie Sondhelm. Er wurde 1882 in Dinslaken geboren und heiratete die 1883 in Lechenich im Kreis Euskirchen geborene Emma Heymann. Die erste Tochter des Ehepaares, Hedwig, kam 1916 in Köln zur Welt, 1920 folgte dann die Geburt der Tochter Anita in Dinslaken. Benjamin Isaacson betrieb wie seine Brüder Dagobert und Louis einen Viehhandel in Dinslaken. Das Ehepaar wohnte mit den Töchtern ab 1923 zunächst in der Kaiser-Friedrich-Str. 16, später in der Kaiser-Friedrich-Straße 56. Am Morgen des 10. November 1938 wurde das Haus des Ehepaares in Brand gesteckt. Der Schaden am Gebäude bezifferten Dinslakener Behörden später mit 5.000 Reichsmark. Auch der auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindliche Stall der Isaacsons wurde zerstört. Vermutlich wurde auch Benjamin Isaacson für eine kurze Zeit im Amtsgerichtsgefängnis Dinslaken inhaftiert. Er gehörte jedoch nicht zu den Dinslakener Juden, die am 17. November 1938 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert wurden. Am 19. Dezember 1938 floh das Ehepaar nach Essen in die Papestr. 61. Von dort wurden sie am 22. April 1942 in das Lager Izbica bei Lublin in Polen deportiert. Danach gab es von ihnen kein Lebenszeichen mehr. Den beiden Töchtern Hedwig und Anita gelang noch rechtzeitig vor dem Zweiten Weltkrieg die Flucht nach Großbritannien bzw. in die USA.
Quellen:
Landesarchiv Duisburg, Abteilung Rheinland, Bestand RW 58 Nr. 21342
Landesarchiv Duisburg, Abteilung Rheinland, Bestand Gerichte Rep. 196 Nr. 79, Gerichte Rep. 196 Nr. 904 und Gerichte Rep. 196 Nr. 105
Stadtarchiv Dinslaken, Bestand N-11-1050
Meldebüro der Stadt Dinslaken/Bürgerbüro, Auskunft Meldekarten Familie Isaacson.
Literatur:
Prior, Anne: "Wo die Juden geblieben sind, ist nicht bekannt." Essen 2010.
Blücherstr. 69
Leeser Elkan
Otto Elkan
Mariele Elkan
Gudrun Elkan
Antje-Rosemarie Elkan
Leeser Elkan stammte aus Brünen im Kreis Rees und wurde dort 1849 geboren. Er heiratete seine aus Dülmen stammende Ehefrau Emma Leeser im Jahr 1879 und zog mit ihr in die Neustraße 49. Dort wurden die gemeinsamen Kinder Rosa (1879), Johanna (1880), Julius (1882) und Otto (1886) geboren. Leeser Elkan arbeitete vermutlich zunächst im elterlichen Viehhandel, bis sein Vater ihm die Geschäfte 1889 übergab. Viele Jahre gehörte Leeser Elkan dem Repräsentantenkollegium der jüdischen Gemeinde Dinslaken an. Auch war er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung in Dinslaken. Ab 1919 war er Ehrenvorsitzender im neu gegründeten "Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" der Ortsgruppe Dinslaken. 1934 verstarb Emma Elkan, ihr Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Dinslaken.
Otto Elkan war Gründer und Besitzer eines Schuhwarengeschäftes in der Dinslakener Neustraße. Nach dem Tod der Mutter zog er mit seiner Ehefrau Mariele, geborene Bergheimer aus Offenburg, und den beiden Kindern Antje-Rosemarie und Gudrun zum Vater in die Blücherstraße 69. Die Tochter Antje-Rosemarie zog vom Mai 1937 bis zum April 1938 nach Antwerpen. Der Grund des Rückzuges nach Dinslaken war die legale Ausreise der Eltern nach Chicago im August 1938. Otto, Mariele, Antje-Rosemarie und Gudrun Elkan gelang noch rechtzeitig vor den Novemberpogrom 1938 die Ausreise in die USA. Leeser Elkan war daraufhin nach Hattingen zu seiner Tochter Johanna Jovishoff gezogen. Als dieser rechtzeitig vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs eine Ausreise nach Chile gelang, zog der greise Leeser Elkan zu seiner Tochter Rosa Rosenberg nach Rheine. Dort war sein Schwiegersohn Julius Rosenberg Vorsitzender der Synagogengemeinde. Leeser Elkan starb am 23. Juni 1941 in Rheine und wurde auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Seiner Tochter und dem Schwiegersohn Julius gelang noch nach dem Tod des Vaters bzw. Schwiegervaters die Flucht in die USA zum Bruder bzw. Schwager Otto Elkan.
Quellen:
Meldekarten Familie Otto Elkan und Leeser Elkan, Antje-Rosemarie Elkan, Auskunft Bürgerbüro der Stadt Dinslaken.
Literatur:
Prior, Anne: "Wo die Juden geblieben sind, ist nicht bekannt", Essen 2010.
Aschenbach, Sepp: Steine der Erinnerung, Der jüdische Friedhof in Dinslaken, Dinslaken 2008.
Stollenstraße 28
Ludwig Rech
Ludwig Rech wurde am 3. August 1896 in Friedrichstahl bei Saarbrücken geboren. 1920 tritt der Arbeiter in die KPD ein. Ab wann genau Ludwig Rech in Dinslaken lebte, kann nicht gesagt werden, da eine Meldekarte der Familie Rech nicht im Stadtarchiv Dinslaken aufzufinden war. Sicher ist, dass er im Jahr 1927 eine Stelle auf der Zeche Lohberg antrat. Ludwig Rech ist von 1930 bis 1933 Vorsitzender im "Kampfbund gegen den Faschismus" der Ortsgruppe Dinslaken. Nach dem Reichstagsbrand erließ die deutsche Reichsregierung am 28. Februar 1933 die "Verordnung zum Schutz von Volk und Staat" , die auch als "Reichstagsbrandverordnung" bekannt ist. Ludwig Rech gehört zu den zahlreichen Kommunisten aus Dinslaken, die gemäß dieser Verordnung in das Amtsgerichtsgefängnis in Dinslaken eingeliefert wurde. Einen Tag später wurde er in das Hamborner Gefängnis überführt. Von dort kam er am 1. August 1933 in das Konzentrationslager Börgermoor im Emsland. Er erhielt die Häftlingsnummer 88 und gehörte somit zu den ersten Häftlingen des Konzentrationslagers. In diesem Lager wurden zahlreiche kommunistische und sozialdemokratische Funktionäre aus dem Ruhrgebiet inhaftiert. Ein Mithäftling berichtete nach 1945: "In dem Konzentrationslager Börgermoor habe ich, wie alle übrigen Mithäftlinge, fast ständig im Wasser stehend arbeiten müssen." Nach zwei Monaten Haft wurde der zweifache Familienvater Ludwig Rech in das Konzentrationslager Brandenburg, dem späteren Konzentrationslager Oranienburg, überstellt. Von dort entließ man ihn am Heiligabend 1933.
Ludwig Rech überlebte den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Schwer gesundheitlich geschädigt, arbeitete er nach 1945 unter anderem als Kraftfahrer für die Britische Militärregierung in Dinslaken. Hier starb er Anfang 1955.
Quellen:
Landesarchiv Duisburg, Abteilung Rheinland, Bestand RW 58 Nr. 71227
Bezirksregierung Düsseldorf, Wiedergutmachungakte Ludwig Rech, eingesehen bei der Bezirksregierung Düsseldorf 2016.
Heinrichstr. 10
Johann Brzechwa
Der Bergmann Johann Brzechwa wurde 1896 in Wanne geboren. Er lebte mit seiner Ehefrau in Dinslaken und arbeitete auf der Zeche Lohberg. Als Kommunist wurde er wie Ludwig Rech nach dem Reichstagsbrand in Dinslaken in "Schutzhaft" genommen. Nach wenigen Tagen gelangte er über das Amtsgerichtsgefängnis Dinslaken in die Gefängnisse Duisburg und Brauweiler. Von Brauweiler wurde er im August 1933 in das Konzentrationslager Esterwegen überstellt. Erst im September 1934 wurde er von Esterwegen nach Dinslaken entlassen. Zehn Jahre später, am 17. September 1944, gehörte er zu den zahlreichen Kommunisten, die im Zuge der "Aktion Gewitter" nach dem Stauffenberg-Attentat auf Hitler verhaftet wurden. Im Landkreis Dinslaken war dies die zweite Verhaftungswelle nach dem Attentat. Die Männer wurden zunächst im "Sonderlager Holten" der Ruhrchemie in Oberhausen konzentriert. Von dort wurden sie in die Konzentrationslager Flossenbürg und Sachsenhausen überstellt. Johann Brzechwa gelangte auf diesem Weg in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Kurz vor Ende des Krieges wurde mit zahlreichen anderen Häftlingen in das sogenannte "Auffanglager" Bergen-Belsen in Niedersachsen überstellt. Er überlebte die Befreiung, war aber so geschwächt, dass er zunächst in einem Militärkrankenhaus der Briten monatelang behandelt wurde. Erst am 2. August 1945 wurde er nach Dinslaken entlassen. Johann Brzechwa starb hier am 3. April 1946. Das Wiedergutmachungsamt des Kreises Dinslaken stellte 1948 fest: "Der Tod steht im ursächlichen Zusammenhang mit der Verfolgung".
Literatur:
Prior, Anne: Von der "Reichstagsbrandverordnung zur "Schutzhaftsonderaktion", In: Kreis Wesel Jahrbuch 2018, Herausgegeben vom Kreisarchiv Wesel, Duisburg 2017.
Quellen:
Wiedergutmachungsakte Johann Brzechwa, Regierungsbezirk Düsseldorf, eingesehen 2016.
ITS Bad Arolsen, Schriftliche Auskunft 2016.