Verlegte Stolpersteine 2015

Die Verlegung der STOLPERSTEINE erfolgte am 12.12.2015 durch Gunter Demnig.

Wir danken den Spendern.

 

Neustr. 43

Die Neustrasse 43 war der Standort des Israelitischen Waisenhauses Dinslaken, das von 1885 bis 1938 existierte. Die drei STOLPERSTEINE wurden in Erinnerung an drei Kinder und Jugendliche, die nach dem Novemberpogrom 1938 über Köln mit einem Kindertransport Belgien erreichten, verlegt. Nach der Besetzung des Landes durch die Deutschen im Mai 1940 wurden sie mit dem ersten Transport von Mechelen/Malines im August 1942 nach Auschwitz-Birkenau deportiert und ermordet.

 

Kurt Korona

Kurt Korona war das älteste Kind der aus Polen stammenden Eheleute Felix und Sofie Korona, geborene Rachmiel. Die Familie lebte in Halberstadt. Kurt kam 1924 auf die Welt. Es folgten die Geschwister Ruth, Leo und Alfred. 1932 verstarb der Schneider Felix Korona im Alter von 34 Jahren.Seit dem September 1933 lebte Kurt im Israelitischen Waisenhaus in Dinslaken. Nach dem Novemberpogrom 1938 erreichte er mit anderen Kindern und Jugendlichen des Waisenhauses am 20. Dezember 1938 Belgien. Am 21. Dezember traf er in der Villa Johanna in Middelkerke bei Ostende ein. Nach einem zweimonatigem Erholungsaufenthalt an der belgischen Küste lebte er bis zum Sommer 1942 in verschiedenen Kinderheimen. Zuletzt stand er unter der Obhut von Jonas Tiefenbrunner.

Kurt Korona war siebzehn Jahre alt, als er von der deutschen Militärverwaltung Ende Juli 1942 einen sogenannten "Arbeitseinsatzbefehl" erhielt. Er meldete sich freiwillig in der Kazerne Dossin in Mechelen. Der Deportationszug nach Auschwitz-Birkenau verließ Belgien am 4. August 1942 und erreichte sein Ziel am 5. August. Mit diesem Zug fuhren auch Babette Fränkel und Josef Axel-Thaler in den Tod. Vermutlich wurden sie sofort nach der Ankunft des Zuges ermordet.   

Babette Fränkel

Gertrud Babette Fränkel wurde 1923 in Mainz geboren. Ihre Eltern waren der Kaufmann Oskar Fränkel und seine Ehefrau Pauline, geborene Oppenheim. Ihre Schwester Eva Klara kam 1925 in Mainz zur Welt. Seit Mai 1938 lebte sie als Haushaltsschülerin im Israelitschen Waisenhaus Dinslaken. Auch sie wurde mit einem Kindertransport nach Belgien gebracht, wo sie ebenfalls zunächst für zwei Monate in der Villa Johanna in Middelkerke lebte. Gertrud Babette Fränkel lebte danach in Privatfamilien, zuletzt in Brüssel. Auch sie erhielt einen "Arbeitseinsatzbefehl" und meldete sich frewillig in der Kazerne Dossin in Mechelen. 

Josef Axel-Thaler

Josef Axel-Thaler wurde 1926 in Oberhausen geboren. Seine Eltern waren der Kaufmann Saul Aron Axel und Blima Horowitz, genannt Thaler. Josef Axel besaß die polnische Staatsangehörigkeit. Nach der Scheidung der Eltern lebte Josef zunächst mit seiner Mutter in Remscheid und Koblenz. Blima Horowitz heiratete im Oktober 1935 einen in Koblenz lebenden Textilkaufmann. Josef Axel-Thaler lebte seit dem 4. September 1938 im Israelitschen Waisenhaus Dinslaken. Auch er erreichte nach dem Novemberpogrom mit anderen Kindern und Jugendlichen des Waisenhauses Belgien. Nach einem Aufenthalt in Middelkerke lebte er in verschieden Waisenhäusern. Mit Kurt Korona lebte er zuletzt im Waisenhaus von Jonas Tiefenbrunner. Josef Axel-Thaler erhielt einen "Arbeitseinsatzbefehl" der deutschen Militärverwaltung und meldete sich freiwillig in der Kazerne Dossin in Mechelen. 

 

Literatur:

Anne Prior "Geben Sie diese Kinder nicht auf!", Essen 2015, S.93 - 98. 

 

 

 

 

Neustr. 49

Lore Elkan

Berthold Elkan

Hanna Elkan

 

Lore, (geb. 1918) Berthold (geb. 1922) und Hanna Elkan (geb. 1928) waren die Kinder von Julius Elkan und seiner Ehefrau Zerline (Ina), geborene Marx aus Trier. Die Elkans besaßen ein Manufakturwarengeschäft an der Neustr. 49. Julius Elkan verstarb 1936, seine Ehefrau führte das Geschäft alleine weiter. Zerline Elkan verstarb am 1.2.1939 im Jüdischen Krankenhaus an der Ottostraße in Köln.

Lore Elkan gelang die Flucht nach Großbritannien. Berthold hatte die jüdische Volksschule in Dinslaken besucht, danach folgten weitere Schuljahre am Real-Gymnasium der Stadt Dinslaken, wo er die "Mittlere Reife" erlangte. Ein halbes Jahr lang besuchte der die "Jawne" in Köln. Dort bereitete er sich in englischer Sprache auf das Abitur vor. Die Geschwister erreichten mit einem Kindertransport Ende Dezember 1938 Belgien. Dort lebten sie einige Wochen in der "Villa Johanna" in Middelkerke bei Ostende mit Kindern und Jugendlichen aus dem Israelitischen Waisenhaus Dinslaken. Berthold lebte in einem Kinderheim, als die Deutschen in Belgien einmarschierten. Er floh mit anderen Kindern und Jugendlichen im Mai 1940 in das unbesetzte Südfrankreich. Zuerst lebte er in einem Haus in Seyre, später dann im "Chateau La Hille". Bei seinem Versuch in die Schweiz zu fliehen, wurde Berthold Elkan im Januar 1943 von schweizerischen Grenzsoldaten entdeckt und wieder nach Südfrankreich geschickt. In La Hille wurde er im Februar 1943 verhaftet und später in das Lager Drancy eingewiesen.  Berhold Elkan wurde am 6. März 1943 vom "Durchgangslager" Drancy in das Vernichtungslager Majdanek deportiert. Es gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm.

Seine Schwester Hanna lebte in Antwerpen bei einer seit 1925 in Belgien lebenden niederländischen Witwe in der Quellinstraat 10. Als diese im Oktober 1942 nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde, verlor sich Hannas Spur. Es gab keinerlei Einträge mehr in den Registern der Behörden. Sie lebte im Waisenhaus von Rosa Rothschild, der Ehefrau von Siegfried Rothschild. Dr. Siegfried Rothschild war der Sohn von Dr. Leopold Rothschild, dem letzten Waisenhausdirektor in Dinslaken. Rosa Rothschild kannte Hanna Elkan aus Dinslaken, wo sie mit ihrem Ehemann einige Zeit lebte. Hanna lebte in den letzten zwei Kriegsjahren im Haus von Rosa Rothschild und entkam der Deportation. 1945 befand sie sich mit anderen überlebenden Kindern in Auderghem/Belgien. Anfang 1946 verzog sie nach Leeds/GB zu ihrer Schwester Lore.

 

Literatur:

Anne Prior, "Geben Sie diese Kinder nicht auf!", Klartext Verlag, Essen, S. 74 und S. 109-S. 111.

 

 

Wilhelm-Lantermann-Str. 1

Louis Isaacson

Fanny Isaacson

Dr. Walter Isaacson

Emmi Isaacson

Bernhard Isaacson

 

Die Familie von Louis Isaacson und seiner Ehefrau Fanny, geb. Stern aus Beckum wohnte von 1919 bis 1939 an der Hünxer Straße 25 in Dinslaken. Das Ehepaar Isaacson bekam drei Kinder: Walter, geboren 1909, Emmi, geboren 1912 und Bernhard, geboren 1916. Louis Isaacson war Teilnehmer des Ersten Weltkriegs. Wie seine Brüder Dagobert und Benjamin, die ebenfalls in Dinslaken wohnten, verdiente Louis Isaacson sein Geld mit dem Viehhandel. Nach dem Novemberpogrom von 1938 gelang es der Familie Isaacson 1939, nach Großbritannien zu fliehen.

Sohn Walter Isaacson besuchte die jüdische Volksschule in Dinslaken und anschließend das Realreformgymnasium in Dinslaken, wo er 1928 sein Abitur ablegte. Emmi Isaacson besuchte das Städtische Lyzeum. Nach dem Abitur verbrachte Walter Isaacson ein erstes Semester in Freiburg, weitere folgten in Bonn und Köln. Er studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie. 1933 verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn die "Rechte eines Doktors der Philosophie". Im Frühsommer 1934 trat Dr. Walter Isaacson eine Stelle als Erzieher im "Jüdischen Landerziehungsheim" Herrlingen bei Ulm. Das Landerziehungsheim war eine bekannte Einrichtung in Süddeutschland und beherbergte bis zu 100 Schüler. Auch Bernhard Isaacson lebte in den Jahren 1935/36 in Herrlingen. Den Novemberpogrom erlebte Dr. Isaacson in Bonn bei einem Freund. Seine Eltern waren in Dinslaken, die Geschwister Emmi und Bernhard lebten zu diesem Zeitpunkt bereits in Berlin.

Im Jahr 1939 gelangten Louis, Fanny, Walter, Emmi und Bernhard Isaacson nach Großbritannien. Louis Isaacson verstarb dort nur wenige Jahre nach seiner Ankunft. Dr. Walter Isaacson unterrichte in "New Herrlingen" bei Kent, später in einer Londoner Grammar school. Bernhard und Emmi Isaacson emigrierten zu Beginn der Fünfziger Jahre nach Australien.

1999 verstarb Dr. Walter Isaacson in London. Seine letzte Ruhe fand er in Israel, wo seine Tochter Aliza mit Ehemann David und den beiden Kindern lebt.

Aus Anlass der STOLPERSTEIN-Verlegung besuchte Aliza Isaacson-Hirsch mit Ehemann David Hirsch Dinslaken. Sie besuchten die ehemalige Schule ihres Vaters und Schwiegervaters, das heutige Theodor-Heuss-Gymnasium. Sie erkundeten das "neue" Dinslaken, besuchten den Jüdischen Friedhof und die neu konzipierte Gedenkstätte in Düsseldorf. An der Wilhelm-Lantermann-Str. 1 hielt Aliza Isaacson-Hirsch eine bewegende Rede über ihren Vater. David Hirsch sprach das Kaddisch für die Familienmitglieder der Familie Isaacson, die während der NS-Zeit in den Vernichtungslagern und Ghettos ermordet wurden.

Die STOLPERSTEINE wurden in der Wilhelm-Lantermann-Str. 1 verlegt, da es die Hausnummer 25 in der Hünxer Str. nicht mehr gibt. Die Verlegestelle befindet sich in etwa auf der Höhe der ehemaligen Hünxer Str. 25. Die heutige Straßenführung enstpricht nicht der Straßenführung der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts.

 

Literatur:

Lucie Schachne: Erziehung zum geistigen Widerstand. Das jüdische Landschulheim Herrlingen 1933-1939. Frankfurt 1989.

 

Artikel:

Anne Prior: Erinnerungen an einen "phänomenalen Lehrer". Rheinische Post, Lokalausgabe Dinslaken vom 17.10.2015

 

Mitteilungen:

Mündliche und schriftliche Mitteilungen Aliza Isaacson-Hirsch, Israel.

 

 

 

 

Karl-Heinz-Klingen-Str. 22

Mendel Baron

Esther Baron

Vera Baron

Renate Baron

 

Das aus Polen stammende Ehepaar Mendel und Esther Baron, geb. Wundermann hatte seit den zwanziger Jahren bis zum Jahr 1933 in Dinslaken gewohnt. 1927 wurde Tochter Vera geboren, 1928 kam Renate Baron zu Welt. Mendel Baron war gemeinsam mit Mendel Nussbaum Inhaber der Dinslakener Firma Mendel Baron und Co. Die Firma handelte mit Möbeln, Manufakturwaren und Konfektion. 1926 schied Mendel Nussbaum als Gesellschafter aus, alleiniger Inhaber war nun Mendel Baron. Im März 1933, kurz nach der Machübenrahme der Nationalsozialisten, überfielen 10 SA-Männer das Ladenlokal der Firma und stahlen das komplette Warenlager. Am 1. April 1933 verzog die Familie von Mendel Baron nach Essen. Im Herbst 1938 bereitete er die Emigration der Familie vor und hielt sich deshalb in den Niederlanden auf. Im Zuge der sogenannten "Polenaktion" am 28./29. Oktober 1938 wurde Esther Baron mit ihren Töchtern Vera und Renate  von Essen aus nach Zbaszyn/Bentschen deportiert. Als Mendel Baron kurz darauf aus Belgien zurückkehrte, fand er seine Familie in Essen nicht mehr vor. Nach einigen Monaten im Internierungslager Bentschen gelangten Esther, Vera und Renate Baron im Sommer 1939 nach Nadworna, dem Geburtsort von Esther. Nadworna, das zu Polen gehörte, wurde mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs von sowjetischen Truppen besetzt und der ukrainischen SSR angeschlossen. Mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 veränderte sich die Situation für die Familie Baron dramatisch. Die Ukraine wurde von den Deutschen besetzt, im Sommer 1942 begannen die Machthaber auch mit der Zwangsghettoisierung der Juden. Bereits Monate zuvor waren Massenerschiessungen an der jüdischen Bevölkerung durchgeführt worden. Mendel Baron, der 1939 nach Belgien geflohen war, hatte immer wieder Kontakt zu seiner Familie aufnehmen können. Auch er wurde nach dem Einmarsch der Deutschen inhaftiert und in die unbesetzte Zone Frankreichs abgeschoben. Dort war er bis Ende 1942 in den Lagern St. Cyprien und Rivesaltes interniert. Ihm gelang zu einem nicht mehr zu bestimmenden Zeitpunkt die Flucht in die Schweiz. Wann Esther Baron und ihren Töchtern die Flucht aus Nadworna gelang, kann ebenfalls nicht mehr nachgewiesen werden. Sicher ist, dass sie sich 1944 in Italien befanden. Am 26. Juni 1944 fand ein letzter Transport vom italienischen "Durchgangslager" Fossoli die Carpi in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau statt. Auf einer Deportationsliste befinden sich auch die Namen von Esther, Vera und Renate Baron. Vermutlich wurden alle drei sofort nach ihrer Ankunft ermordet.

Mendel Baron kehrte nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Belgien zurück. Später lebte er in Haifa.

 

Artikel:

Anne Prior, Von Italien ins Vernichtungslager Auschwitz, Rheinische Post, Lokalteil Dinslaken vom  5. Juli 2014.

 

Schriftliche Mitteilungen:

ITS Bad Arolsen

Haus der Geschichte Essen.