Verlegte Stolpersteine 2023

Die erste Verlegung fand am 26. Januar 2023 statt. Wir danken den Spendern.

 

Dietrich Schlagregen / STOLPERSTEIN Ev. Dorfkirche Dinslaken-Hiesfeld

 

Dietrich Schlagregen wird am 24. August 1902 in Biefang/Sterkrade geboren. Seine Eltern sind Johann und Margarete Schlagregen. Die Eltern sind evangelisch, auch Johann wird evangelisch getauft. 1906 zieht die Familie nach Hiesfeld in die Försterstr. 33. Dietrich besucht die Moltkeschule in Barmingholten. Am 12. April 1916 wird er in der Ev. Dorfkirche in Hiesfeld konfirmiert.Nach dem Abschluss der Volksschule in Barmingholten erlernt er den Beruf des Drehers. Einen Arbeitsplatz findet er auf der Gutehoffnungshütte in Oberhausen. Im März 1925 wird Dietrich Schlagregen wegen Depressionen in das Ev. Krankenhaus Dinslaken eingeliefert. Seine Krankenakte vermerkt als Grund für die Errankung den plötzlichen Tod eines Freundes. Die Entlassung Dietrichs erfolgt bereits im Mai 1925. Nur drei Wochen später wird er jedoch in die "Heil- und Pfegeanstalt" Bedburg-Hau aufgenommen. Dort werden ihm zeitweiliger Autismus und auch Zwangsvorstellungen attestiert. In den folgenden Jahren wird Dietrich Schlagregen immer wieder für eine begrenzte Zeit bei seinen Eltern leben. Eine Nachbarin erinnerte sich noch vor Jahren an ihn, sie hatte ihn als "gutmütigen Menschen" in Erinnerung behalten. 1934 ist Dietrich Schlagregen "dauernd anstaltspflegebedürftig". Da er las "fortpflanzungsfähig" gilt, wird er im Sinne des "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" zwangssterilisiert. 1935 stirbt Dietrichs Mutter Margarete Schlagregen.

Die zentrale Dienststelle aller mit dem Massenmord an Patienten beschäftigten Organisationen befand sich in der Berliner Tiergartenstraße 4. Als Tarnung für den Patientenmord wurde von den Verantwortlichen daher die Bezeichnung "Aktion T 4" gewählt.

Unter der Leitung des aus Berlin angereisten "T 4" - Gutachters Dr. Werner Heyde werden Ende Februar/Anfang März 1940 nahezu 2.200 Patienten innerhalb weniger Tage "begutachtet". 792 von ihnen werden während dieser "Märzaktion" für den "Gnadentod" ausgesucht, die Patienten nach Grafeneck und Brandenburg an der Havel "verlegt". Am 8. März 1940 wird er mit 323 männlichen und 12  weiblichen Patienten nach Brandenburg transportiert und gleich nach der Ankunft ermordet. Im dortigen ehmaligen Zuchthaus wurde Ende Dezember 1939 eine Mordstätte errichtet. Die Ermordeten werden an Ort und Stelle verbrannt. Erstmals wurde dort im Januar 1940 auf deutschem Boden eine Gruppe von Psychiatriepatienten mit Kohlenmonoxid ermordet. Den  Behörden wird Dietrich Schlagregens Tod von der "T 4" - Zentrale fälschlicherweise mit dem Datum vom 29. Mai 1940 mitgeteilt. So konnte die Organisation noch für einige Wochen von den Kostenträgern Pflegegelder kassieren. Auch der Sterbeort Hartheim/Linz ist gefälscht. 

Am 29. Juni 1940 findet das Urnenbegräbnis von Dietrich Schlagregen auf dem neuen Ev. Gemeindefreidhof Hiesfeld statt. Er wurde nur siebenunddreißig Jahre alt.

 

Quellen: Bundesarchv Berlin, Bestand R 179, Dietrich Schlagregen.

Kirchenbücher der Ev. Kirchengemeinde Dinslaken-Hiesfeld, Friedhofsbelegbücher und Einträge Konfirmationsjahrgänge.

Meldekarte Familie Schlagregen, Stadt Dinslaken.

Schriftliche Mitteilungen: Gedenkstätte Sachsenhausen, Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Archiv des LVR und Dokumentationsstelle Schloss Hartheim/Linz.

 

Neustr. 43

Ruth Frohmann

Lieselotte Frohmann

Ruth und Lieselotte waren Zwillinge und wurden am 8. Oktober 1921 in Essen geboren. Ihre Mutter war Frieda Frohmann, sie lebte in der Huttropstr. 39 in Essen. Über den Vater der Kinder ist nichts bekannt. Beide Kinder gelangten am 28. April 1927 von Essen nach Dinslaken. Sie verlebten die Sommerferien 1936 gemeinsam in Fulda. Ab 1937 lebten beide in Fulda: Ruth in der Heinrichstr. 14, Lieselotte in der Straße Am Stockhaus. Seit dem 5. Mai 1939 lebten sie im "Landwerk Steckelsdorf" bei Rathenow. In dem zionistischen Ausbildungslager wurden sie auf ein Leben in Palästina vorbereitet. Den Jugendlichen wurde im Sommer 1943 mitgeteilt, dass sie "umgesiedelt" würden.  Ein kleiner Teil der Jugendlichen verblieb allerdings in Steckelsdorf, da sie Zwangsarbeit in der optischen Industrie leisten sollten. Von Magdeburg aus wurden die Jugendlichen, auch Ruth und Lieselotte, im Juli 1943 vermutlich nach Auschwitz deportiert. Danach gab es kein Lebenszeichen mehr von den Geschwistern.

 

Der Verein STOLPERSTEINE bedankt sich sehr herzlich bei den Schülerinnen und Schülern der Ernst-Barlach-Gesamtschule in Dinslaken, die mit ihrer Lehrerin Jutta Wittchen die Patenschaft über den STOLPERSTEIN für Lieselotte Frohmann übernahmen.

 

Frau Regine Nuckel, Dinslaken, übernahm die Patenschaft über den STOLPERSTEIN für Ruth Frohmann. Herzlichen Dank!

 

Quellen: Bundesarchiv Gedenkbuch, Stand 17.09.2023, ITS Bad Arolsen.

Schriftliche Mitteilungen: Dr. Bettina Götze, Kulturzentrum Rathenow sowie schriftliche Mitteilung Jutta Vonrüden-Ferner, Essen.

 

Günt(h)er Nussbaum

Günt(h)er Nussbaum wurde am 1. Dezember 1925 in Halle an der Saale geboren. Seine Mutter war Thekla Nussbaum, über den Vater ist nichts bekannt. Ab einem unbekannten Zeitpunkt lebte er im Israelitischen Waisenhaus Dinslaken. Nach dem 10. November 1938 gelangte er über Köln und Weilmünster in die "Israelitische Erziehungsanstalt" Beelitz. Vermutlich lebte er in Weilmünster für einige Zeit in der dortigen "Landesheilanstalt" Weilmünster, die ab 1940 als Zwischenanstalt für die Mordstätte Hadamar fungierte. Von Beelitz aus wurde er mit anderen Kindern und Jugendlichen am 14. April 1942 in das Warschauer Ghetto deportiert. Seidem gibt es von Günt(h)er kein Lebenszeichen mehr.

 

Quellen: Bundesarchiv Gedenkbuch Stand 17. 09.2023

Schriftliche Mitteilung: Standesamt der Stadt Halle/Saale.

Literatur: T. Matanya Ruge/A. Paetz, Die Israelitische Erziehungsanstalt in Beelitz, Berlin 2022.

 

Bahnstr. 15

Familie Cohen

Selma de Jonge

 

Hugo Cohen, seine Ehefrau Else und die die drei Söhne Heinz, Bernd und Leopold Werner gehörten einer alteingesessenen Dinslakener Viehhändlerfamilie an. Vater Leopold Cohen war Pferdehändler, Arthur, der Bruder, besaß ebenfalls eine Viehhandlung in Dinslaken. Hugo Cohen und Selma de Jonge hatten 1920 in Dinslaken geheiratet. Alle drei Söhne kamen dort zur Welt. Die beiden ältesten Söhne der Cohens, Heinz und Bernd, lebten 1938 in Brüssel. Ein Besuch der höheren Schule war in Dinslaken unmöglich und so hatte sich das Ehepaar entschlossen, beide Söhne nach Belgien zu bringen. Der jüngste lebte noch bei ihnen in Dinslaken. Im Haushalt der Cohens lebte auch Else Cohens Mutter, die Witwe Selma de Jonge aus Weezer. Hugo und Else Cohen waren am 10. November auf den Weg zu ihren Söhnen nach Belgien, als am Morgen des Tages ihr Haus niedergebrannt und nahezu unbewohnbar wurde. Selma die Jonge, die in der Bahnstraße geblieben war, wurde vom damaligen NSDAP-Kreisleiter Friedrich Schulte lt. Augenzeugenberichten morgens auf offener Straße misshandelt. Die Cohens kehrten nach diesen Ereignissen nicht mehr nach Deutschland zurück. Über Belgien und die Niederlande gelangten sie mit ihren drei Söhnen nach Kanada. Auch Selma de Jonge konnte sich der Familie Cohen anschließen. Der letzte Wohnsitz vor ihrer Flucht nach Kanada war die niederländische Stadt Utrecht. In Kanada schloß sich Heinz Cohen der kanadischen Royal Air Force an. Er wurde in den letzten Kriegstagen als Pilot der RAF über Berlin abgeschossen.

 

Quellen: Meldekarte Familie Cohen, Dinslaken.

Landesarchiv Duisburg, Abt. Rheinland, Bestand RW 58 Nr. 54907 Hugo Cohen.

 

Duisburger Str. 25

Johanna Scherbel und Richard Scherbel

 

Johanna Scherbel, geboren 1873 als Johanna Stern aus Beddelhausen/Kreis Siegen-Wittgenstein und ihr Ehemann Ernst Scherbel, geboren 1879 in Essen, lebten seit 1910 in Dinslaken. Hier wurde 1911 das einzige Kind des Ehepaares, Richard-Moritz, geboren. In der Duisburger Straße 26 unterhielt das Ehepaar Scherbel jahrelang den "Riesenbazar Ernst Scherbel." Das Geschäft hatte bereits Jahre zuvor unter dem Namen Julius Scherbel firmiert. Dieser war ein Bruder von Ernst Scherbel und unterhielt in Wesel ein Warenhaus. Otto Scherbel, ein weiter Bruder, unterhielt in Bocholt den "Riesenbazar Otto Scherbel". Bereits im Jahr 1933 gab die Familie das Geschäft in der Duisburger Str. auf, am 1. Dezember 1935 verstarb Ernst Scherbel in Dinslaken. Er wurde auf dem jüdischen Gemeindefriedhof bestattet. Richard Scherbel versuchte in den Jahren 1937 und 1938 seinen Lebensunterhalt als "Handelsvertreter"  zu verdienen. Seine Mutter Johanna verzog Anfang 1937 in das Jüdische Altenheim nach MG-Rheydt. Von dort wurde sie mit anderen Heiminsassen am 21. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert. Am 29. September 1942 wurde sie von dort nach Treblinka verschleppt und nach der Ankunft sofort ermordet. Richard Scherbel gelangte in die USA, er lebte 1940 bei einer deutsch-jüdischen Familie zur Untermiete in New York. Dort soll er sehr früh verstorben sein.

Quellen: Bundesarchiv Gedenkbuch Stand 17.09.2023

Meldekarte Ernst, Johanna und Richard-Moritz Scherbel, Dinslaken.

Zeitungsartikel NRZ Nr. 259, Lokalteil Dinslaken, Anne Prior: "Erinnerungen an (eine) jüdische Kaufmannsfamilie".

Mitteilung: Stadtarchiv Wesel.

 

Duisburger Str. 108

Helene Skapowker und Paul Skapowker

 

Paul Skapowker lebte mit eine Ehefrau Helene, geb. Rosenbaum, seit 1895 in Dinslaken. Der aus dem Raum Wilna stammende Kaufmann führte zeitweise ein Möbelgeschäft in der Duisurger Str. 8 und war der Mohel/Beschneider der jüdischen Gemeinde Dinslaken. Das Ehepaar hatte fünf Kinder: Heinrich, Siegfried, Martha, Hertha und Selma. Martha Skapowker starb bereits 1906 im Kindesalter in Dinslaken und wurde auf dem jüdischen Friedhof bestattet. Hertha heiratete nach Antwerpen, ihre Schwester Selma lebte mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Sohn Friedrich in Düsseldorf. Heinrich war ebenfalls verheiratet und lebte wie sein Bruder Siegfried in Berlin. Nach der Deportation ihrer Tochter und des Enkelsohnes lebten Helene und Paul Skapowker in Düsseldorf. Ihr Schwiegersohn Hans Rothbein nahm sich im Dezember 1938 im Düsseldorfer Gefängnis das Leben. Er hatte, wie seine Ehefrau Selma und der gemeinsame Sohn, die polnische Staatsangehörigkeit besessen. Paul Skapowker lebte zeitweise auch in Dinslaken im sog. "Judenhaus" in der Weseler Str. 206. Dort wurde er Anfang 1940 das Opfer eines Überfalls zwei Männer aus Sterkrade und Mülheim/Ruhr. Paul Skapowker hatte ein Jahr zuvor einen der Männer wegen Diebstahls angezeigt. Ehe sie dem fast Achtzigjährigen Gewalt antun konnten, schritt der ebenfalls in dem Haus lebende Leopold Jakobi ein. Paul  Skapowker wurde 1941 lt. Sterbeurkunde das Opfer eines Autounfalls in Dinslaken. Seine Ehefrau Helene wurde von Düsseldorf aus am 21. Juli 1942 in das sog. "Altersghetto" Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 18. November 1942. Während Selma Rothbein und ihr Sohn Friedrich als verschollen gelten, überlebten Hertha und Heinrich den Holocaust. Siegfried Skapowker wurde 1942 von Berlin aus in das Ghetto von Piaski verschleppt. Dort verliert sich seine Spur.

 

Quellen: Meldekarte Paul und Helene Skapowker, Dinslaken.

Bundesarchiv Gedenkbuch Stand 17.09.2023.

Schriftliche Auskunft: ITS Bad Arolsen.

Literatur: Anne Prior, Wo die Juden geblieben sind, ist nicht bekannt, Essen 2010.

 

 

Eine zweite Verlegung fand am 15. September 2023 statt. Wir danken den Spendern.

 

Gertrudenstr. 40

Heinrich Dickmann

Änne Dickmann

Alma Dickmann

 

Heinrich Dickmann wurde am 15. Januar 1903 in Dinslaken geboren und war der Bruder von August Dickmann. Die Familie lebte in Klarastr. 48. Heinrich Dickmann wurde nach dem Abschluss der Volksschule Metallarbeiter und arbeitete auf dem Walzwerk der ATH in Dinslaken. Seine Ehefrau Anna Süselbeck, gen. Änne, heiratet er im Jahr 1927. Er kommt mit den Zeugen Jehovas in den Jahren 1931/32 in Berührung. Erstmals wird er im März 1935 in Schutzhaft genommen, da er die Mitgliedschaft in der Deutschen Arbeitsfront/DAF und die damit verbundenen Mitgliedsbeiträge ablehnt. Als Wohnort gibt er Gertrudenstr. 40 in Dinslaken an. Als weitere Wohnorte sind Talstr. 8, sowie Klarastr. 48 und 51 bekannt. Heinrich Dickmann verliert in diesem Jahr seine Arbeitstelle. Eine erneute Verhaftung erfolgt am 7. Juli 1935 in Voerde-Spellen, wo er mit zwei weiteren Zeugen Jehovas Schriften verteilt. Im Verhör verrät Heinrich Dickmann die Namen seiner Glaubensbrüder, die rechtzeitig fliehen konnten, nicht. Nun beginnt ein fast zehnjähriger Leidensweg für ihn und seine Ehefrau Änne. Heinrich Dickmann verbleibt in der Haftanstalt Hamborn bis zu seiner Einlieferung in das Konzentrationslager Esterwegen am 5. August 1935. Von dort wird er Anfang Dezember desselben Jahres in das Strafgefängnis Bochum verlegt, von wo er nach wenigen Tagen in die Haftanstalt Rheda/Oberems verbracht wird. Er wird am 1. Januar 1936 entlassen. Ab dem 13. September 1937 bis zum  30.12.1938 verbüßt er eine Gefängnisstrafe wegen des Verbreitens verbotener Schriften in den Strafanstalten Derendorf, Anrath und Walchum/Esterwegen. Nach der Verbüßung der Haftstrafe  wird er jedoch nicht in die Freiheit entlassen, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Dort bleibt er bis zum 12. Februar 1940. Hier muss er am 15. September 1939 die Hinrichtung seines Bruders August erleben. Nach der Überstellung in das Konzentrationslager Wewelsburg am 12.2.1940 wird er nach drei Jahren und zwei Monaten in das Konzentrationslager Buchenwald verbracht. Dort bleibt er vom 12. April 1943 bis zum 12. Juli 1943. Bis zu seiner Befreiung am 8. Mai 1945 ist er im Männerlager des  Konzentrationslagers Ravensbrück inhaftiert.

 

Änne Dickmann wird am 18. Dezember 1903 in Dinslaken als Anna Hövelmann geboren. Sie und Heinrich Dickmann heiraten 1927 vor dem Standesamt Dinslaken. Ihre Tochter Alma wird am 16. November 1927 geboren. Änne Dickmann schließt sich wie Heinrich Dickmann Anfang der Dreißiger Jahre den Zeugen Jehovas an. Sie wird am 13. Juli 1937 wegen des Verdachts, verbotene Schriften zu verbreiten, in das Gefängnis Duisburg-Hamborn eingewiesen. Nach einigen Wochen wird sie von dort am 13. Oktober 1937 in das Konzentrationslager Moringen überstellt. Am 21. Februar 1938 wird sie in das Konzentrationslager Lichtenburg verbracht. Seit dem Mai 1939 befindet sich Änne Dickmann im Frauenkonzentrationslager Ravesbrück, das ab November 1943 dem Konzentrationslager Sachsenhausen unterstellt ist. Änne Dickmann ist in Ravensbrück u.a. im Haus der Tochter des SS-Standartenführers Theodor Eicke, Leiner, im Haushalt tätig. Dort ist sie auch für die Kinder des Ehepaares Leiner zuständig. Ihre eigene Tochter Alma hatte Änne Dickmann seit 1937 nicht mehr gesehen. Im Jahr 1939 wurde Alma unter Vormundschaft gestellt, sie lebte bei Verwandten. In Ravensbrück sehen sich Heinrich und Änne Dickmann für einen kurzen Augenblick im Jahr 1945 wieder. Sie werden am 8. Mai 1945 befreit und kehren im August 1945 nach Dinslaken zurück. 

 

Quellen: Meldekarte Heinrich und Änne Dickmann, Stadtarchiv Dinslaken, Landesarchiv Duisburg, Abt. Rheinland, Bestand RW 58 Nr. 34230 und 50940, Bestand BR 3008 Nr.126665.

Schriftliche Mitteilung:  ITS Bad Arolsen   

Literatur: Dinslaken in der NS-Zeit, Vergessene Geschichte 1933-45. Kleve 1983.

 

Augustaplatz 2

August Dickmann

 

August Dickmann wird am 7. Janaur 1910 in Dinslaken geboren. Er ist der Sohn von Hermann Dickmann und dessen Ehefrau Anna, geb. Bernds. August Dickmann heiratet am 23. November 1934 Agnes Süselbeck. Das junge Ehepaar bezieht eine Wohnung am Augustaplatz 2 in Dinslaken. August Dickmann arbeitet in einem Sägewerk, seine junge Ehefrau ist Schreibkraft auf der Zeche Lohberg. Die Ehe bleibt kinderlos. Zu einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 1936 wird August Dickmann in Dinslaken verhaftet und im gleichen Jahr zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, die er vermutlich in einem Strafgefängnis in Duisburg verbüßt. Da bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Unterlagen zu diesem Verfahren auffindbar sind, ist es nicht bekannt, weshalb er zu dieser Strafe als "Ernster Bibelforscher" verurteilt wird. Vermutlich wird er, wie sein Bruder Heinrich, Schriften verteilt haben. Nach der Verbüßung der Haftstrafe wird am 18. Oktober 1937 ein "Schutzhaftbefehl" von der Stapo-Leitstelle Düsseldorf gegen ihn ausgestellt und August Dickmann wird als Häftling Nr. 1461 von Duisburg aus in das Konzentrationslager Sachsenhausen überstellt. Als Grund für die Schutzhaft wird bei seinem Eintreffen in Sachsenhausen vermerkt, dass er "nach Verbüßung von 1 Jahr Haftstrafe noch staatsfeindlich eingestellt " sei. Am 1. September 1939 überfällt Deutschland das Nachbarland Polen, dies ist der Beginn des Zweiten Weltkriegs. August Dickmann bekommt einen Einberufungsbefehl, wie Tausende junger Männer seines Jahrgangs. Er wird ihm nach Dinslaken zugestellt, seine Ehefrau schickt dieses Schreiben weiter nach Sachsenhausen. Dickmann weigert sich standhaft, diesem Befehl nachzukommen, das verbietet ihm sein Glaube. Mehrfach wird er vergeblich von der Lager-Gestapo dazu aufgefordet. Beim Abendappell am 15. September 1939 wird August Dickmann vor den versammelten Häftlingen und auch vor den Augen seines Bruder Heinrich Dickmann, der sich ebenfalls in Sachsenhausen befindet, erschossen. Vorausgegangen ist dieser Hinrichtung ein Befehl Heinrich Himmlers. In einem Schriftstück des Reichministers der Justiz über die "Durchführung von Exekutionen" heißt es wenige Tage später: "Der Führer soll diese Hinrichtungen angeordnet oder genehmigt haben; er soll weiterhin den Auftrag erstellt haben, der Reichsführer-SS habe mit allen Mitteln die Sicherheit im Reichsgebiet aufrecht zu halten, und dieser Auftrag schließe bei Handlungen gegen die Kriegsgesetze auch die sofortige Exekution in sich (Mitteilung des SS-Brigadeführers Best). (Digitales Archiv ITS Bad Arolsen Bestand 1.2.2.1 Nr. 11424787, Schriftwechsel des Reichsministers der Justiz über die Durchführung von Exekutionen.)  Die Nachricht von der Standhaftigkeit und der Hinrichtung des jungen Zeugen Jehovas geht in den nächsten Tagen um die Welt. Er gilt als erster Wehrdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg.

 

Quellen: Schriftliche Mitteilung ITS Bad Arolsen, Meldekarte August Dickmann, Stadtarchiv Dinslaken, Landesarchiv Duisburg Bestand BR 3008, Nr. 12666 .